Nach der Stille - endlich Musik
Ein Lied kann eine Brücke sein! Diese allgemein akzeptierte Erkenntnis verpackte die bekannte Soul-Sängerin Joy Flemming 1975 als Refrain in ihrem gleichnamigen Hit. Aber können - knapp ein halbes Jahrhundert später - kirchlich geprägter Chorgesang und orchestrale Musik eine aufmunternde und taktbestimmende Therapie sein, um verunsicherte und innerlich ausgezehrte Menschen in Zeiten der großen Corona-Depression aus ihrer unfreiwilligen Isolation zu befreien?
Mit dem vielsagenden Titel des Konzertabends „Nach der Stille - Endlich Musik“ gaben Chor und Orchester der Ratinger Liebfrauenschule mit ihrem ausverkauften Weihnachtskonzert eine ebenso eindeutige wie hoffnungsvolle Antwort auf diese Frage: Aber spiel nur einen Ton, so wird meine Seele gesund!
Rund 250 - nach den 2G-Regeln getestete - und mit angemessenem Sicherheitsabstand platzierte Konzertbesucher hatten trotz nass-kaltem Sprühregen den Weg in die Ratinger Kirche St. Suitbertus gefunden, die mit ihrer wunderbaren Akustik die Stimmen und Instrumente der jungen Musiker während der zweistündigen Vorstellung fantastisch zur Geltung brachte.
Als stimmungsvollen Auftakt setzten die Jungen und Mädchen des - von Chorleiter André Schürmann hervorragend in Szene gesetzten - Unterstufenchors mit dem südafrikanischen Traditional „Hambani Kahle“ (Das Licht erleuchte die Nacht) gleich zu Beginn dem kollektiven gesellschaftlichen Corona-Blues ein herzerwärmendes musikalisches Leuchtfeuer entgegen. Das von Konrektorin Julia Leers bravurös dirigierte Kammerorchester verzauberte die Besucher anschließend mit den Titeln „The First Novell“ und „King Glöckchen“, bevor das Vororchester mit „Rudolph, the Red Nosed Reindeer“ einen schmissigen Swing hinlegte. Der Unterstufenchor überzeugte bald darauf mit adventlichen Klassikern wie „Maria durch ein Dornwald ging“. Einen melodischen Mutmacher der besonderen Art erlebte das Publikum, als der mitreißende Text des traditionsreichen Pfadfinder-Liedes „Flinke Hände, flinke Füße“ von den erfrischenden jugendlichen Stimmen der Mitglieder des Unterstufenchors intoniert wurde. Schlichtweg umwerfend! Für seine dreistimmige Version des Songs „Carol of the bells“ erhielt der exzellente Kammerchor vom Publikum besonders viel Applaus. Nachfolgend entführte der Ehemaligenchor die Zuhörer mit ausgeprägten stimmlichen Harmonien u.a. in ein idyllisches „Winter Wonderland“, während das Kammerorchester bei „Tochter Zion“ nicht zuletzt mit einem einfühlsam gespielten Trompeten-Intro zu gefallen wusste.
Einer der Höhepunkte des Konzertabends war zweifellos die musikalische Liaison des Unterstufenchors mit den beiden Solistinnen Lena Pawella und Mariella Kleinknecht. Ein talentiertes Teamwork, das sich ideal ergänzte! Insbesondere beim Duo-Vortrag des anspruchsvollen Songs „When Christmas comes to town“ aus dem Film "Polarexpress" rissen die beiden LFS-Schülerinnen aus Jahrgangsstufe 9 und 10 mit ihren glockenklaren Stimmen und ihrer gefühlvollen Interpretation die Zuhörer vor Begeisterung von den Sitzen. Ein absolut würdiger Abschluss eines rundum gelungenen Abends waren schließlich beim großen Finale beliebte Motive aus Tschaikowskys „Schwanensee“, die vom - in seiner Gesamtformation angetretenen - Orchester überzeugend und kraftvoll präsentiert wurden.
Keine Frage - am Ende eines hochklassigen und (gleichzeitig unterhaltsamen) besinnlichen Abends stand die unbestrittene Erkenntnis: Musik kann eine Brücke sein! Mehr noch: Sie kann dabei helfen, die „bleierne Zeit“ der Corona-Pandemie zu überwinden. Eine Zeit, in der kaum ein Ton die Räume der LFS Ratingen mit musikalischer Inspiration erfüllte, wie Schulleiter Christoph Jakubowski in seiner Ansprache mit großem Bedauern betonte: „Doch mit viel Gottvertrauen haben wir nach den Sommerferien Chöre und Orchester wieder zum Leben erweckt und somit ein schulübergreifendes Hoffnungszeichen in einer schwierigen Zeit gesetzt!“ Frei nach dem Leitspruch: Aber spiel nur einen Ton, so wird meine Seele gesund!
Markus Vorpeil